Kirchenrundgang Maria Frieden - Teil 4

Erste Eindrücke vom Kircheninnenraum

Wir haben die Kirche durch das linke Portal betreten und stehen nun im Windfang. Hier gibt es die Möglichkeit, sich über die Aushänge zu den verschiedensten Aktivitäten zu informieren und kleinere Schriften käuflich oder auf Spendenbasis zu erwerben. Ein Blick durch die Klarglastür lässt schon die beeindruckende schlichte Schönheit des Innenraumes erkennen.

Aber gehen wir doch einfach rein über den im gesamten Kirchenboden ausgelegten edlen schwarzen Naturstein. Dieser Naturstein stammt aus Udine, einer Stadt in der Region Friaul-Julisch Venetien im Nordosten Italiens. Sicher verstärkt dieser Boden, zusammen mit den schalungsrauhen Sichtbetonflächen der Wände, die beabsichtigte Lichtinszenierung des Raumes in ein Halbdunkel, das durch den farbigen Fensterstreifen unter dem Dach nur wenig aufgehellt wird. Dadurch erhält der Kirchenraum eine starke emotionale und sakrale Ausstrahlung. Ungeachtet dessen lohnt es sich, die Kirche zu unterschiedlichen Tageszeiten zu besuchen, denn hinter dem Altarglasbild befindet sich der Eingang zur Unterkirche in einem Lichtschacht, der einen indirekten Lichteinfall auf das große Altarfenster bewirkt. Der sich im Tagesverlauf ändernde Sonnenstand, als auch eine mögliche Illumination am Abend, verursachen immer wieder neue Lichteffekte auf das große Altarbild. Dazu aber mehr in einer gesonderten Betrachtung des Altarfensters.

Für einen weiteren Gesamteindruck nehmen wir in einer der Kirchenbänke Platz. Die Bänke sind gefertigt aus indonesischem Java-Teak. Heute würde man auf andere Holzarten, bzw. auf Holz aus zertifiziertem und nachhaltigem Anbau zurückgreifen. Nur, in den 60ger Jahren des letzten Jahrhunderts war die Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit noch, sagen wir, nicht so sehr ausgereift. Hinzu kam, so beschreibt es die Chronik, dass seinerzeit für die Kirchenbänke eine schnelle Entscheidung für ein vorhandenes günstiges Angebot aus bereits gefälltem Holz getroffen werden musste. Also wurde bestellt und geliefert und aus diesem Holz 3 Bankblöcke gefertigt. Im linken und rechten Block gibt es Sitzplätze für jeweils ca. 80 und im mittleren Block für ca. 160 Personen. Die drei Bankblöcke auf rautenförmigen Grundriss sind auf die Altarinsel ausgerichtet und vermitteln so das Gefühl, ziemlich nahe am „Tisch des Herrn“ Eucharistie zu feiern. Architekt und Künstler haben damit in der Zeit des nachkonziliaren Kirchenneu und -umbaus im Ansatz den Gedanken des II. Vatikanischen Konzils (1962 - 1965) aufgenommen, den Gottesdienst gemeinsam mit Priester und Gläubigen am Tisch des Herrn zu feiern. Einzige Reminiszenz an den vor dem II. Vaticanum üblichen Hochaltar sind die noch vorhandenen drei Stufen, die von einer breiten Kommunionsstufe zum Altar von Maria Frieden führen. In diesem Zusammenhang darf man gespannt auf die Gottesdienste an dem Altar der Bischofskirche (Hedwigskathedrale) in Berlin nach Umbau, bzw. Restaurierung sein. Dort soll es nur eine Erhöhung geben auf dem der Altar steht. Daraus ließe sich schließen, dass sich der Priester und das Volk Gottes auf einer Ebene befinden.

Gegenüber der Altarinsel ist die Orgelempore angeordnet, zu der eine Wendeltreppe führt. Orgelempore und vor allem die Orgel werden in einem gesonderten Artikel vorgestellt.

Werfen wir jetzt noch einen Blick nach oben auf die innere Decke. Sie besteht aus einer stützenlosen Holzverschalung aus nordischer Fichte. Entlang der Fensterbänder sind in einem Abstand die Fugen zwischen den einzelnen Paneelen offen, um eine bessere Akustik zu erzielen. Die Holzdecke ist unter dem Betondach in Form eines hyperbolischen Paraboloids (Hyparschale in Leichtbeton) angebracht. Einen Eindruck dieser außergewöhnlichen Dachkonstruktion ist übrigens sehr schön von außen zu gewinnen, wenn Sie sich das Glockengeläut der Kirche Maria Frieden anhören und dabei den Campagnile mit dem Dach der Kirche „überfliegen“!

Mit den spitz herausgezogenen Hochpunkten über dem Altar (14 Meter)- und dem Eingangsbereich (18 Meter) und den bis auf Schulterhöhe herabgezogenen Tiefpunkten in den seitlichen Spitzwinkelbereichen erinnert das Kirchengebäude entfernt an das „Ahornblatt“, die markante ehemalige Gaststätte auf der Fischerinsel (1971-73), die 2000 abgerissen wurde. Die Kirche Maria-Frieden ist sozusagen das sakrale West-Berliner Gegenstück zu den Hyparschalenexperimenten im Osten Berlins.

Soweit zu den ersten Eindrücken des Innenraums der Kirche Maria Frieden. Seien Sie gespannt, wie es im nächsten Artikel weiter geht.